Zagramer: Wörterbuch für deutsche Lehnwörter

Zagramer

Die deutsche Sprache hatte im Laufe der Geschichte einen unglaublichen Einfluss auf das Kroatische! Schon relativ am Anfang meiner Kroatisch-Etüden ist mir aufgefallen, dass sich eine ganze Menge deutsche Lehnwörter im Kroatischen tummeln. Mit dem neuen Wörterbuch Zagramer: Agramerski Rječnik von Tibor Otto Benković lässt sich dieses Thema noch deutlich vertiefen: Es enthält über 5.000 Germanismen aus der Zagreber Alltagssprache.

Autor von Zagramer mit  Zagreber Wiener-Deutsch aufgewachsen

Zagramer WörterbuchDer Autor ist in Zagreb aufgewachsen. Wie er im Vorwort erklärt, wurde in der Familie neben einigen anderen Sprachen hauptsächlich Zagreber Wiener-Deutsch gesprochen. In der Schule lernten die Kinder außerdem Deutsch als erste Fremdsprache.

Der Grund für diesen Fokus aufs Deutsche liegt in der Geschichte der kroatischen Hauptstadt: Nicht nur die österreichisch-ungarische Monarchie hatte einen tragenden Einfluss auf die Region Zagreb, die Wurzeln der Germanophilie reichen sogar noch viel weiter zurück.

Laut Angaben im Zagramer von Benković sollen schon im 8. Jahrhundert nach Christi kroatische Stämme Kontakt zu germanischen Stämmen aufgenommen haben, um sich von Byzanz abzugrenzen. Die Verbindung mit dem fränkischen Patronat habe zu einer Konvertierung zum christlichen Glauben geführt und schließlich auch zu einem ersten sprachlichen Austausch. Das Substantiv kralj (König) basiere, so der Autor, auf dem Namen Karl (der Große)!

Der Fundus von deutschen Lehnwörtern in der kroatischen Sprache ist bis ins 19. Jahrhundert stetig gewachsen. Viele davon sind ins Alltagsvokubular übergegangen, so dass sie längst als Kroatisch empfunden werden. Konkrete Beispiele lauten keks, auspuh (Auspuff) oder vic (Witz).

Beispiele für Germanismen im Raum Zagreb

Ein Blick ins Wörterbuch Zagramer beweist jedoch, dass das Ausmaß an Germanismen im Zagreber Raum einmal erheblich größer war bzw. bei älteren Generationen immer noch ist. Das demonstrieren ein paar ausgewählte Vokabeln aus dem Werk:

cvajmal – zweimal
blajštift – Bleifstift
hart – hart
šarf – scharf
freh – frech
gepek – Gepäck
ferdamt – verdammt
fergiftati – vergiften
silber – Silber
roznkavalir – Rosenkavalier
placangst – Platzangst
klo – Klo
ausšlag – Ausschlag
danke – danke
badeancug – Badeanzug
miteser – Mitesser
jegermajster – Jägermeister

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Germanismen verschwinden aus der Alltagssprache

Die Germanismen-Liste aus dem Zagramer strotzt übrigens vor noch viel mehr interessanten Begriffen! Nichtsdestotrotz: Beim Studieren der Wörter fragt man sich automatisch, ob die junge Generation in Zagreb sie noch versteht.

Benković kritisiert, dass dieses Vokabular immer mehr in Vergessenheit gerät. Als Gründe nennt er zum einen die „Kroatisierung“ der kroatischen Sprache seit der Unabhängigkeit des Landes, zum anderen das aggressive Eindringen von Anglizismen in den Sprachgebrauch. Außerdem bestehe in Kroatien die Tendenz, sich vom „jugoslawischen, balkanischen“ Sprachgebrauch zu distanzieren.

Für alle, die dennoch mehr über das multilinguale, multi-ethnische Zagreb erfahren wollen, hat Benković sein Germanismen-Wörterbuch verfasst. Ich habe es mir für 199 Kuna (ca. 25 Euro) in einer großen Zagreber Buchhandlung gekauft und muss beim Schmökern immer wieder schmunzeln. (as)

Autor

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Annika Senger
Annika Senger ist Gründerin und Chefredakteurin des Reise- und Kulturportals Kroatien-Liebe. Die passionierte Bloggerin und Reisevermittlerin interessiert sich für Reisen, Musik, Literatur, Sprachen, Kochen und Fotografie.
Adresse: Berlin, Deutschland

Kommentare

Vedad Smailagic
21. Januar 2018
Poštovani, ima li u ovome rječniku riječ brucoš?
Annika Senger
22. Januar 2018
Für alle, die den Kommentar nicht verstehen: Vedad fragt, ob es im Zagramer-Wörterbuch das Wort "brucoš" gibt (zu Deutsch: Studienanfänger). Die Antwort lautet nein, aber es ist offenbar auch kein Germanismus!

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