Zur Auswahl stehen Hauptstädte wie Paris, London, Amsterdam oder Berlin, doch European Best Destinations hat auch die kroatische Stadt Zadar als eines der besten Reiseziele des Jahres 2016 nominiert.
Die Abstimmung findet seit dem 20. Januar online statt und läuft noch bis zum 10. Februar. Voten kann jeder, auch wenn die Auswahl im Anbetracht der Vielfalt an reizvollen Destinationen schwer fallen dürfte.
Ich habe Zadar am 14. Juni 2015 besucht und war sofort vom italienischen Charme dieser Küstenstadt im Norden von Dalmatien fasziniert. Obwohl bei alliierten Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg sichtbar viel alte Bausubstanz verloren gegangen ist und Zadar auch 1991 von der Jugoslawischen Volksarmee beschossen wurde, bleiben das leichte, mediterrane Flair und das kulturelle Erbe mit seinen zahlreichen Kirchen in der Altstadt ungebrochen.
Kulturerbe aus der Römerzeit
Wenn man von der Seepromenade Richtung Stadtzentrum spaziert, fallen Überbleibsel aus der Römerzeit ins Auge. Ein häufig fotografiertes Motiv von Zadar ist die römisch-katholische Kirche des Heiligen Donat (Sv. Donat) mit dem byzantinischen Rundbau – das Wahrzeichen der Stadt Zadar. Sie stammt aus dem 9. Jahrhundert nach Christi und zählt zu den besterhaltenen altchristlichen Bauwerken in Kroatien.
Die antiken Steinformationen in unmittelbarer Nähe der Kirche sind aber wesentlich älter und für Archäologen und Historiker eine besonders interessante Stätte. Zu erwähnen ist, dass die Römer Zadar im 2. Jahrhundert vor Christi unterwarfen und im römischen Forum vor der Donatuskirche ihre architektonischen Spuren hinterlassen haben. Sie errichteten Thermen, Befestigungsanlagen, ein Kapitol und ein Aquädukt.
Mit dem Niedergang des Weströmischen Reiches fiel Zadar an Byzanz, doch die Herrscher wechselten im Laufe der Geschichte immer wieder. Auch Seeräuber trieben in der Adria ihr Unwesen, so dass Zadar um 1000 nach Christi um venezianischen Schutz bat.
Erst im Jahr 1069 gelang es den Kroaten unter König Petar Krešimir IV., die Stadt unter ihre Herrschaft zu bringen. In den folgenden Jahrhunderten konnte Kroatien seine Macht jedoch nicht festigen.
Ab dem 12. Jahrhundert wurde Zadar massiv von Venedig angegriffen, belagert und schließlich erobert. Nach dem Fall der Venezier übernahm die österreichisch-ungarische Monarchie 1797 das Zepter – eine turbulente Geschichte, die ich hier nur kurz und knapp angerissen habe.
Kathedrale der Heiligen Anastasia
Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum gehört die Kathedrale der Heiligen Anastasia (Sv. Stošija). Wer sie besichtigen möchte, der sollte unbedingt daran denken, Knie und Schultern zu bedecken. Ansonsten darf man die romanische Basilika aus dem 12. und 13. Jahrhundert nicht betreten. Das wäre jammerschade, denn die katholische Kathedrale ist die größte in Dalmatien und ein architektonisches Juwel.
Eine monumentale Fassade, gotische Rosetten, Marmoraltäre und Gemälde machen sie zu einem besonderen Stück Baukunst. Wenn man mag, kann man auch die 150 Stufen des Glockenturms erklimmen und sich an der Aussicht über Zadar und das Meer erfreuen.
Während meiner Besichtigung übte ein versierter Organist an der restaurierten Domorgel. Somit kam ich ganz zufällig in den Genuss, gratis in seinen Noten zu schwelgen.
Flanieren in der Altstadt
Nach der Stippvisite in der Kathedrale ließ ich mich gemütlich durch die Altstadt von Zadar treiben. Falls man Hunger auf leckeres Eis verspürt, kann man ihn dort in mehreren Eisdielen stillen. Ähnlich wie in Split findet man sich schnell in engen, mediterranen Gassen wieder.
Während ich durchs Zentrum flanierte, kam ich mit Künstlern, die am Straßenrand ihre Werke verkauften, ins Gespräch, schlenderte an zahlreichen Bars, Cafés und Restaurants vorbei und probierte in einem Spezialitätenladen den kroatischen Birnenlikör Kruškovac.
Ich mag wirklich keine harten Spirituosen, aber zu einem fruchtigen Likör sage ich nicht nein! Gegen den kleinen Hunger bekommt man vielerorts ein Stück Pizza zum Mitnehmen.
Die Meeresorgel von Zadar
Lässt man Zadars Altstadt hinter sich, wartet an der Uferpromenade eine moderne Attraktion: die von Architekt Nikola Bašić erschaffene Meeresorgel (kroatisch: Morske orgulje). Sie wurde am 15. April 2005 eingeweiht und ist seitdem ein Touristenmagnet und beliebter Treffpunkt der einheimischen Bevölkerung.
An dieser Orgel zieht das Meer die Register, haut mit den Wellen in die Tasten und erzeugt in Löchern unter großen Steinplatten Töne. Die Melodie hängt immer vom Wind und von den Wellenbewegungen ab.
Als ich in Zadar verweilte, war es zwar angenehm warm, doch Wind und Wellen zeigten sich launisch und peitschten mit all ihrer Wucht an die Uferbefestigung. Ich saß eine ganze Weile an der Meeresorgel und lauschte einem wiederkehrenden Tonmuster, das mich entspannte. Eine ständig mies gelaunte Mitreisende meinte zu mir: „Das hört sich total monoton an und nervt!“
Nun ja, es herrscht immer noch Meinungsfreiheit und jeder sollte sich seine eigene Meinung über die experimentellen Klänge der Meeresorgel von Zadar bilden. Ich habe das Meereskonzert mit dem Handy aufgenommen, allerdings erhebt im Hintergrund auch Bora (oder war es Jugo?) seine Stimme! 😉 Einen besseren akustischen Eindruck vermittelt das Video (siehe unten) des Fremdenverkehrsbüros der Stadt Zadar.
Sonnenlicht wird zu Kunst in Zadar
Wenige Schritte von der Meeresorgel entfernt schickt Zadar einen Gruß an die Sonne. Ebenfalls von Bašić kreiert wurde der Kreis aus 300 mehrschichtigen Glasplatten. Er hat einen Durchmesser von 22 Meter und absorbiert tagsüber das Sonnenlicht. An seinem Rand sind die Planeten des Sonnensystems mit ihren Umlaufbahnen dargestellt.
Sobald es dunkel wird, spielt sich auf dem Kreis ein phänomenales Lichtspektakel ab. Wie die Meeresorgel folgt es dem Rhythmus der Wellen und die Zuschauer dieses kunstvollen Szenarios haben Gelegenheit, mit dem Licht und gleichzeitig mit dem Meer zu tanzen.
Erreicht man den „Gruß der Sonne“ kurz vor dem Einbruch der Abenddämmerung, erlebt man den vielleicht schönsten Sonnenuntergang. Im Jahr 1964 schrieb Alfred Hitchcock über Zadar: „Zadar has the most beautiful sunset in the world, more beautiful than the one in Key West, in Florida, applauded at every evening.“
Mit den Worten Hitchcocks möchte ich nun schließen. Dennoch bleibt eine Frage: Welcher Ort in Europa ist das beste Reiseziel des Jahres 2016? (as)
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