Ich liebe alte Burgen und Schlösser, deshalb stand die ehemalige kroatische Hauptstadt Varazdin auf meiner Reiseziel-Liste schon ein Weilchen ganz weit oben.
Die Stadt im Nordwesten des Landes grenzt an Slowenien und Ungarn und ist rund 80 Kilometer von Zagreb entfernt – mit der langsamen kroatischen Bimmelbahn eine Weltreise! Nimmt man den Überlandbus, dauert die Tour nicht ganz so lange, vor allem auf der Rückfahrt, während wir einen Teil der Strecke über die Autobahn fahren.
Eine Busfahrt von Zagreb nach Varaždin führt mitten durchs hügelige grüne Zagorje mit seinen Dörfern und Städtchen wie aus dem Bilderbuch. Man bekommt für 52 Kuna pro Fahrtrichtung (knapp 7 Euro) also landschaftlich einiges geboten. Vom Busbahnhof in Varazdin spaziert man nur fünf Minuten zu Fuß und findet sich dann mitten in einer farbenfrohen Barockkulisse wieder.
Verheerender Brand in Varazdin 1776
Nichts deutet heute mehr darauf hin, dass das schmucke Städtchen am 25. April 1776 komplett niedergebrannt ist – schuld war ein Dummer-Jungen-Streich: Der Knabe kokelte in einer Scheune der damaligen Vorstadt heimlich Tabak an. Leider ließen sich die Flammen nicht bändigen, gingen auf ein Munitionslager über und zerstörten die komplette Innenstadt.
Nach drei Tagen der Löscharbeiten lagen 80 Prozent der kroatischen Hauptstadt in Schutt und Asche. Der königliche Rat unter Kaiserin Maria Theresia zog mit seiner Residenz nach Zagreb und Varaždin erhielt seinen Hauptstadt-Status nie zurück. Ob wohl ohne den Zündel-Jungen alles anders gekommen wäre?
Flanieren in der barocken Altstadt von Varazdin
Jetzt ist Varaždin jedenfalls eine Kleinstadt mit etwa 46.000 Einwohnern, der Innenstadtkern überschaubar und ein herrliches Ausflugsziel, wenn man in Zagreb logiert.
Obwohl alle Sehenswürdigkeiten nur durch kurze Fußmärsche voneinander getrennt sind, fällt sofort die hohe Dichte an Juwelieren und Kirchen ins Auge. Kommt man vom Busbahnhof, läuft man geradewegs auf den Franjevački Trg mit dem Franziskanerkloster zu.
Vor der gelben Kirche Sv. Ivan Krištitelj (Johannes der Täufer) steht eine Statue des berühmten kroatischen Bildhauers Ivan Mestrović. Sie stellt einen Bischof dar: den Grgur von Nin, der aber eigentlich mit Varazdin nichts zu tun hat.
Schlendert man ein paar Meter weiter, hat man auch schon den Hauptplatz erreicht. Er heißt Trg kralja Tomislava und ist mit diesem Namen dem ersten kroatischen König Tomislav gewidmet. Auf der Nordseite des Platzes wurde das älteste Steinhaus der Stadt errichtet – das Rathaus, dessen schmaler Turm nach der Brandkatastrophe gebaut wurde.
Rund um den Marktplatz haben sich Cafés und ein Laden des kroatischen Schokoladen-Herstellers Kraš angesiedelt. Ich gehe hinein und bekomme Lust, mir ein großes Paket mit allen möglichen süßen Leckereien zu kaufen. Mein Hüftspeck hält mich davon ab, aber gegenüber im Café Grofica Marica (Gräfin Mariza) lockt mich bereits hausgemachte Kremšnite (sprich: Cremschnitte).
Eigentlich ist die Stadt Samobor für diese Kuchenspezialität berühmt – ich durfte sie dort Anfang 2016 schon kosten. In Varaždin schmeckt sie aber mindestens genauso lecker und bei so einem strahlend blauen Himmel, wie ich ihn hier am 17. März 2017 erleben darf, sitze ich gerne bei frühlingshaften 20 Grad in einem Straßencafé und schere mich nicht im Geringsten um die schlanke Linie!
Komm mit nach Varasdin
An der Fensterscheibe des Grofica Marica steht auf Deutsch der Satz „Komm mit nach Varaždin“. Wenn Ihr Operetten mögt, kennt Ihr vielleicht den beschwingten Walzer-Ohrwurm „Komm mit nach Varasdin“ aus „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kálmán.
In diesem Liebesduett wird eine ungarische Stadt besungen, in der noch alles „rotweißgrün“ ist. Wir erinnern uns: Kroatien war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, offiziell „rotweißblau“ ist Varaždin erst seit einem Vierteljahrhundert. Unter dem Artikel könnt Ihr Euch das Lied in einer Szene aus der Operetten-Verfilmung von 1958 anhören.
Beschwingt möchte ich die Melodie an so einem strahlenden Frühlingstag mitträllern und mich ganz der Wiener Kaffeehaus-Romantik hingeben. Während ich nach dem Kaffee- und-Kuchen-Stopp weiter durch die malerischen Gassen streife – vorbei an der Kathedrale, dem Ursulinenkloster oder dem orange-braunen Palais Sermage – habe ich das Lied im Ohr.
Die Burg von Varaždin
Mein Ziel auf diesem Stadtrundgang ist das Wahrzeichen von Varazdin: die weiße Erdödy-Burg mit dem roten Ziegeldach und den spitz zulaufenden Türmen. Als ich sie am Ende der Straße Uršulinska vor mir sehe, stelle ich sie mir prompt als Schauplatz für „Alice im Wunderland“ vor – als Schloss der Herzkönigin.
In dem märchenhaften Anwesen residierten allerdings seit dem Ende des 14. Jahrhunderts die Grafen Cilli. Im Mittelalter diente sie als Verteidigungsanlage gegen die Türken, die diese Region des Balkans nie wirklich unterjochen konnten.
Ehe ich die Burg von innen besichtige, umrunde ich sie einmal auf dem deichartigen grünen Wall und fotografiere sie von allen Seiten. Mehr Bilder seht Ihr demnächst in meinem YouTube-Kanal!
Der Eintritt fürs Burgmuseum kostet 25 Kuna (umgerechnet rund 3,30 Euro). Bei meinem Besuch gibt es eine Sonderausstellung mit einfachen und prächtigen Kleidungsstücken aus der Kaiserzeit. Die macht aber nur einen kleinen Teil der Exponate aus: Das Museum verteilt sich über zwei Stockwerke. Es beherbergt das Stadtarchiv, Porzellan, Uhren, Funde aus der prähistorischen Zeit und luxuriös eingerichtete Wohnräume, durch die ich nicht nur einmal schreite.
Obwohl Fotografieren in der Burg eigentlich nicht erlaubt ist, kann mich niemand davon abhalten, einige dieser königlichen Zimmer mit meiner Kamera abzulichten. Keiner beobachtet mich und die Einrichtung ist einfach zu edel, um sie nicht auf einem Foto festzuhalten. Da möchte man doch glatt Burgfräulein sein!
Eine tragische Liebesgeschichte
Auf dem Rückweg zum Busbahnhof stolpere ich über eine tragische Liebesgeschichte, die sich laut einer Erzählung in Varaždin zugetragen haben soll. Aufmerksam werde ich durch ein Kunstwerk in der Nähe des Franziskanerklosters: eine Metallfigur einer kopflosen Frau, an der unzählige Liebesschlösser hängen.
Die 14-jährige Anastazija fällt in den heute nicht mehr existenten Wassergraben um die Burg und wird von einem Leutnant gerettet. Seit dieser Heldentat ist er ein gern gesehener Gast im Haus des Mädchens. Als der Soldat an die Front muss, schenkt ihm Anastazija ein Familienmedaillon, das ihn vor Gefahren schützen soll. Und tatsächlich – er überlebt den Krieg.
An ihrem Geburtstag und dem vorbestimmten Hochzeitstermin am 29. September 1819 stirbt Anastazija. Der Leutnant ist niedergeschlagen, gibt seinen Militärdienst auf und besucht in den nächsten 50 Jahren zweimal täglich das Grab seiner Braut. An einem 29. September setzt er seinem Leben ein Ende, um sich mit seiner Schicksalsliebe zu vereinen.
Die Skulptur lädt nun andere Paare dazu ein, sich an ihr mit einem Liebesschloss zu verewigen und sich mit dem Symbol unterschütterliche Liebe zu schwören. Ohne Liebesschloss an den Metallstreben, aber mit einer ganzen Portion Liebe zu Kroatien fahre ich dann zurück nach Zagreb und behalte Varazdin in liebevoller Erinnerung. (as)
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