Dieses Reiseziel hat man als Kroatien-Neuling sicher nicht auf dem Radar. Langsam werde ich aber zum „alten Hasen“, den es an touristisch noch relativ unerschlossene Orte wie den Naturpark Lonjsko Polje zieht. Als Ausgangsbasis für meine Erkundungen wähle ich das rund 50 Kilometer von Zagreb entfernte Sisak in der Region Posavina.
In der Stadt am Zusammenfluss von Kupa und Sava leben knapp 50.000 Menschen. Als ich am 2. Juli dort ankomme, ist von der Hauptsaison überhaupt nichts zu spüren. Ich habe das Gefühl, die einzige Fremde unter Einheimischen zu sein. Das gefällt mir. Aber was soll ich in meinem Blog über so ein verschlafenes Nest schreiben? Diese Frage stelle ich mir tatsächlich.
Fahrrad in Sisak empfehlenswert
Schnell wird ersichtlich: Sisak ist ein sehr langgezogener Ort. Wer ohne Auto anreist, tut gut daran, sich bei der Touristen-Information oder über eine App ein Fahrrad zu mieten. All das klemme ich mir, weil mir meine Gastgeberin ihr Mountainbike ausborgt. Also schwinge ich mich in den Sattel und strampele knapp zehn Minuten ins Zentrum.
Dorthin gelange ich über das Wahrzeichen der Stadt, die alte Ziegelbrücke. Kaum habe ich die Kupa überquert, stoppe ich vor der strahlend weißen Pfarrkirche Uzvišenje Svetog Križa, die seit 2009 den Status einer bischöflichen Kathedrale innehat.
Überreste einer römischen Siedlung
Es gibt aber noch eine weitere Besonderheit: Das barocke Gotteshaus steht auf den Überresten einer spätrömischen Siedlung namens Siscia. 2001 wurde auf dem Kirchplatz ein archäologischer Park eingerichtet. Wenn man über die Treppe in ihn hinabsteigt, erkennt man unter anderem einen Verteidigungswall und einen Innenturm aus dem zweiten bis dritten Jahrhundert nach Christi.
Weitere archäologische Entdeckungen von der Prähistorie bis zum Mittelalter und eine Ausstellung über Sisaks Kulturgeschichte zwischen dem 13. und 20. Jahrhundert warten im Stadtmuseum. In der hochsommerlichen Hitze bin ich lieber am Ufer der Kupa unterwegs. Dort haben sich mehrere Bars und Restaurants angesiedelt, die Preise sind moderater als an der Adria.
Ehemaliges Industrie-Zentrum
Ins kühle Nass stürzen kann man sich trotzdem: Die Bewohner von Sisak baden im klaren Fluss, dessen Uferwege sich für Radtouren anbieten. Bei meiner Spazierfahrt komme ich an dem einen oder anderen stillgelegten Industrie-Komplex vorbei. Während die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiges Zentrum für Chemie-, Öl-, Eisen-, Stahl- und Lebensmittelindustrie war, gestaltet sich die wirtschaftliche Lage derzeit schwierig. Viele Fabriken wurden im kroatischen Unabhängigkeitskrieg zerstört.
Bei einem Streifzug durchs Stadtzentrum sehe ich prachtvolle Häuser aus der Habsburger Zeit in einem teilweise sehr renovierungsbedürftigen Zustand. Es gibt auch eine ehemalige Synagoge. Da aber seit dem Nazi-Terror keine Juden mehr in Sisak leben, beherbergt sie heute eine Musikschule.
Burg von Sisak
Nachdem ich etwa zwei Kilometer nach Süden geradelt bin, besuche ich das Highlight des Ortes: die Burg Sisak, wo die Kupa in die Sava mündet. Stari grad (zu Deutsch: Altstadt) mit den wuchtigen Zylindertürmen war einst ein Bollwerk gegen die Osmanen. Um sich gegen die türkischen Angreifer zu wappnen, entschieden sich die Zagreber Siedlung Kaptol und der kroatische Ban Nikola Zrinski 1544 für den Bau, der sechs Jahre später vollendet war.
Nach mehreren Belagerungen, Angriffen und Zerstörungen verzeichnete die Habsburger Monarchie am 22. Juni 1593 bei einer Schlacht rund um die Festung einen ihrer ersten Siege gegen das Osmanische Reich.
Heute kann man die Anlage für 10 Kuna besichtigen, dabei die Kreuzgänge entlang wandeln und Räume mit historischen Möbeln und Alltagsgegenständen begehen. Bei meinem Besuch bekomme ich außerdem eine Ausstellung für kroatische Gegenwartskunst zu Gesicht.
Die rund 2.500 Jahre alte Geschichte von Sisak enthält noch eine lange Liste weiterer Kapitel, viele davon düster – zum Beispiel eine keltische Festung namens Segestica, die sich 119 vor Christus den Römern geschlagen gab. Awaren und Slawen zerstörten wiederum das antike Siscia und 1942 richtete das faschistische Ustaša-Regime ein Konzentrationslager in Sisak ein. Von all dem Grauen spürt man nicht viel an einem heißen Sommertag im Juli. (as)
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