Wenn Ihr mich fragt, ob ich mir als Kind die Karl May-Verfilmungen wegen Winnetou und Old Shatterhand angesehen hätte, behaupte ich jetzt mal ganz frech: Nein! Die Landschaft fand ich immer schon viel reizvoller als die Handlung. Wandern auf Winnetous Spuren im Nationalpark Paklenica hätte mir mit Sicherheit schon damals Spaß gemacht, doch erst im Juni 2015 wurde dieser Traum Wirklichkeit.
Als kleines Mädchen musste ich mich mit den Karl May-Festspielen in Bad Segeberg zufrieden geben, denn es gab zwei oder drei Jahre meines Lebens, in denen meine Eltern immer wieder nach Heiligenhafen an die Ostsee fuhren!
Ausgangspunkt Starigrad-Paklenica
Zum Glück kann ich jetzt selbst entscheiden. Ich logiere mit meiner Wandergruppe im gemütlichen Hotel Vicko an der Küstenstraße in Starigrad-Paklenica. Rund um den beliebten Ferienort befinden sich nämlich diverse Winnetou-Drehorte.
Starigrad weiß seinen wohl berühmtesten Indianer immer wieder zu feiern. Im Juni 2016 steigt beispielsweise eine Jubiläums-Party, die mehrere Tage dauert (siehe Events) und auch Wanderungen im Programm hat.
Am Morgen des 11. Juni 2015 werden wir mit Kleinbussen zum Paklenica-Canyon chauffiert. In dieser bewaldeten Felslandschaft mit ihren schier unendlich wirkenden Weiten hangeln sich bereits Kletterer die steilen Felswände hoch.
Unser Reiseleiter erwähnt, dass im Nationalpark Paklenica Klettermeisterschaften stattfinden. Zu Beginn der Wanderung wetzt er selbst einen Felsen jenseits des Weges hoch, um allen zu beweisen, was für eine durchtrainierte Sportskanone er ist!
Hinweise auf Winnetou-Drehorte
Auf dem ersten Stück des Weges sind meine bescheidenen Kletterkünste gefragt. Die Steigung kostet ein bisschen Schweiß und den nächsten Schritt setzt man besser gut überlegt – sprich, wir müssen über eine Ansammlung von Felsbrocken kraxeln.
Einige hundert Meter weiter erreichen wir einen angenehm begehbaren Wanderweg. Die Drehorte aus den Karl May-Filmen sind mit Winnetou-Schildern gekennzeichnet, damit echte Fans sofort wissen, wo Pierre Brice, Lex Barker und Co. den Nationalpark Paklenica in den Wilden Westen verwandelt haben.
Mein Interesse hält sich in Grenzen. Viel lieber suche ich nach spektakulären Fotomotiven. Wie üblich fängt meine Kamera nur einen Bruchteil der felsigen Naturschönheiten ein.
Manita-Höhle im Nationalpark Paklenica
Es geht bergauf, jeder entdeckt irgendwann sein persönliches Wandertempo. Hin und wieder halte ich kurz an und schieße ein Foto. Es fällt mir schwer, nicht die ganze Zeit zu fotografieren.
Wir wandern zur Manita-Höhle, eine Tropfstein-Höhle, deren Stalagniten und Stalagtiten ausgerechnet heute unbeleuchtet sind. In der Dunkelheit des Felsens ist es auf einmal klirrend kalt. Ich muss mir eine Jacke überziehen und den Weg durch die Höhle mit meiner Handy-Taschenlampe illuminieren.
Im schummerigen Licht baut sich vor mir ein Palast aus Felssäulen auf. Inmitten dieser kunstvollen Bilder, die sich mit meiner Kamera nicht festhalten lassen, fängt der Reiseleiter an zu singen: kroatische Lieder, die in mir einen besonderen Nerv treffen und mein Herz berühren.
Der Hall in der Höhle scheint wie für Konzerte prädestiniert. Es ist nicht das erste und einzige Mal, dass unser Guide uns mit Gesang beglückt. Ob er es ist, der meine Vorliebe für kroatische Musik wachgekitzelt hat? Vielleicht …
Pause an der Forsthütte Lugarnica
Nach der Abkühlung in der Manita-Höhle ist mein Körper froh, sich wieder in der südlichen Wärme aalen zu dürfen. Wir wandern ein Stück zurück zum Wanderweg und steuern als nächstes die Forsthütte Lugarnica an. Rechts neben dem Weg fließt ein Bach, der an ein paar Stellen türkise Mini-Seen gebildet hat.
An der Forsthütte ist erst einmal Pause angesagt. Die einen trinken Kaffee, die anderen ein kühles Bier und ich nutze die Gelegenheit, mein Proviant zu verspeisen. Tagsüber brauche ich trotz aller Aktivitäten nicht so viel Essen. Ich verzehre mich eh am liebsten an der Landschaft.
Weil ich mich topfit fühle, packe ich die Gelegenheit beim Schopfe, in noch weitere Höhen der Bergwelt emporzusteigen. Nicht jeder hat Lust dazu, aber wir haben ja Zeit. Und wenn ich schon einmal im Nationalpark Paklenica bin, will ich jede Gelegenheit auskosten.
Schnaps-Verkostung mit Marijo
Ich wandere ungefähr eine halbe Stunde, bis mir oben vor der Hütte der Hausherr Marijo begegnet. Sofort registriere ich: Der Typ ist in akuter Flirtlaune. Vor sich hat er eine ganze Bar mit selbstgebrannten Schnäpsen auf einem Holzfass aufgebaut. Wir kommen ins Gespräch, er lädt mich auf ein Gläschen ein. Zu seinem Kirschlikör Višnjevac kann ich wirklich nur schwer nein sagen. Ich erhebe also mein Glas auf das Bergpanorama und nutze die kleine Plauderei mit Marijo zum Ausspannen.
Nach einem Glas will er mich gar nicht gehen lassen. Ich müsse noch den Abstieg meistern, verklickere ich ihm. Aber ich könne doch auch bei ihm übernachten. Er habe viel Platz in seiner Hütte.
Ich erfahre, dass Marijo mehrere Monate im Jahr auf dem Berg lebt und kombiniere: Natürlich ist er froh, wenn sich mal eine Frau ohne männlichen Begleiter in diese Abgeschiedenheit verirrt. Zu seiner Behausung gelangt man übrigens nur zu Fuß. Keine Autostraße führt zu diesen Höhen im Nationalpark Paklenica.
Ich bleibe stark und lehne Schnaps Nummer 2 ab, um von meinen Füßen noch sicher ins Tal getragen zu werden. Beim Abschied gibt mir Marijo seine Visitenkarte, die mir irgendwo während der Reise abhanden kommt. Abends im Hotel lässt mich der Reiseleiter von ihm grüßen. (as)
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