Um den Nationalpark Brijuni (italienisch: Brioni) rankt eine Legende. Gott wollte einen Teil der Erde nach dem Vorbild des Paradieses erschaffen. Eine von Meer umgebene grüne Landschaft mit herrlichen Bäumen und Wiesen, wo die Menschen zum Glücklichsein aufgefordert werden.
Der Teufel war aber neidisch auf diesen Garten Eden und zerstörte ihn. Er zerriss den letzten Sack der Engel, in dem sie noch nicht zum Einsatz gekommene Steine schleppten. Tausende von Felsbrocken prasselten daraufhin auf Istrien. Die traurigen Engel sammelten die zwischen Steinen übrig gebliebenen Stücke Traumland ein und erschufen daraus die Brijuni-Inseln.
Von Fažana in den Nationalpark Brijuni
Die Überbleibsel des Paradieses will ich am 26. Mai mit eigenen Augen sehen. Leider ist es für einen ganztägigen Bootsausflug ab Pula mit warmem Essen und Badestopp auf Sveti Jerolim noch zu früh im Jahr. Also fahre ich nach Fažana und steige auf einen der großen Touristen-Dampfer, die Karten werden in einem Büro an der Promenade verkauft. Dieser Startpunkt hat zwei Vorteile: Der Ort ist wirklich malerisch und um die Ecke kann man vor der Abfahrt leckeres Eis essen.
Die Brijuni-Fähren selbst entsprechen weniger meinem Geschmack. Sie sind auf den Transport großer Gruppen ausgelegt. Masse statt Klasse scheint auch bei der Besichtigung der Insel Veli Brijun zu gelten. Um eines vorab klarzustellen: Den kompletten Nationalpark Brijuni bekommt man nicht zu Gesicht, er ist auch für Besucher nicht zugänglich.
Rundfahrt im Touristen-Zug auf Veli Brijun
Wer einen Ausflug nach Brijuni bucht, hat einen Programmpunkt immer inklusive: die Fahrt mit dem Touristenzug. Oh, was war ich als kleines Kind wild nach solchen Zügen! Mit vier habe ich meine Eltern im Urlaub jeden Tag angebettelt, dass sie mit mir eine Runde fahren. Seitdem ist eine Menge Zeit vergangen. Um mich herum wuseln nun viele andere Kids, während ich mir ein Fahrrad herbeiwünsche.
Gleich im Hafen bei den Hotels warten die Inselführerinnen, die die Gäste in deutscher, englischer und kroatischer Sprache bei der Rundfahrt begleiten. Man kann sie gar nicht verfehlen, weil sie Schilder mit den jeweiligen Sprachen in die Höhe halten.
Führung vermittelt Geschichtswissen
Obwohl ich eine freiere Erkundung der Insel bevorzugt hätte, hat die Bimmelbahn auch einen Vorteil. Über Lautsprecher wird man mit der Geschichte der Brijuni-Inseln beschallt, so dass sich die Fahrt als lehrreich erweist. Zum Beispiel gibt es Dinosaurier-Spuren – allerdings nicht am Rande der Bahnstrecke.
Ruinen von byzantinischen und römischen Bauten wie der Venustempel zeugen von Siedlungen in der Antike. Jahrhunderte später gehörte Istrien zur „österreichischen Riviera“ – und die Brijuni-Inseln dem Industriellen Paul Kupelwieser. Im Jahr 1893 kaufte der Österreicher die Insel-Gruppe und machte sie mithilfe des berühmten Bakteriologen Robert Koch bewohnbar.
Auf Veli Brijun hatte eine Krankheit grassiert, die man eher in Afrika als mitten in Europa vermutet – Malaria. Um die Erreger auszurotten, ließ Koch sämtliche Sümpfe trocken legen. Alle bis auf einen. Für diesen Einsatz wurde dem deutschen Mediziner auf der großen Brijuni-Insel ein Denkmal gewidmet.
Safari-Park im Nationalpark Brijuni
Dass von der ursprünglichen mediterranen Vegetation auf Veli Brijun nicht mehr viel existiert, fällt bei der Rundfahrt sofort ins Auge. Wir durchqueren riesige Golfplätze und einen Safari-Park, in dem exotische Tiere wie Zebras und Lamas grasen. Es wirkt alles sehr aufgeräumt und von Menschen gemacht. Ein etwa 15-minütiger Stopp am Meer ist offenbar darauf ausgelegt, dass man sich mit Eis und Getränken versorgt. Ich genieße die schöne Aussicht.
Zwar sind weite Teile des Mittelmeer-Urwalds abgeholzt, doch einer der ältesten Olivenbäume der Region darf eingezäunt weiterleben. Er ist rund 1.600 Jahre alt und trägt immer noch Früchte. Das Bimmelbahn-Abenteuer endet zwischen einem Café und der Kirche Sv. Germana, die 1481 erbaut wurde. In ihr finden sich Fresken und ein Altar mit glagolitischen Inschriften. Nach der Besichtigung ist eine 20-minütige Kaffeepause angesagt.
Anschließend spazieren wir weiterhin als geschlossene Gruppe zum Denkmal für Robert Koch und zum Museum, in dem sich alles um den Begründer des sozialistischen Jugoslawiens dreht: Josip Broz Tito. Vor dem Gebäude beobachtet er die Besucher als Steinbüste.
Ausstellung über Josip Broz Tito
Tito und der Nationalpark Brijuni sind eng miteinander verknüpft. Im Jahr 1947 erklärte er die Inseln zu seiner Sommerresidenz, so dass der Zutritt für das gemeine Volk von da an streng verboten war. Audienz gewährte er Hollywood-Stars und ranghohen Politikern. Die VIPs holte Tito sogar höchstpersönlich mit seinem Cadillac im Hafen ab. Wahrscheinlich auch den deutschen Bundeskanzler Willy Brandt, der privat mit Tito befreundet war und im Gegensatz zum DDR-Oberhaupt Walter Ulbricht nie als Staatsbesuch nach Brijuni reiste.
Die Tito-Villa auf Vanga ist bis heute in staatlicher Hand und kann noch immer nicht besichtigt werden. Wie luxuriös der Hausherr dort residierte, deutet die Ausstellung an. Die Fotos samt Erklärungen zeichnen das Bild eines kinder- und tierlieben, stets lächelnden Landesvaters, der nur das Beste für sein Volk wollte. Andere Kapitel wie die Gefängnis-Insel Goli Otok werden konsequent übersprungen. Stattdessen kann man sich im Untergeschoss ausgestopfte Tiere anschauen – es handelt sich um Geschenke an Tito.
Nach dem Eintauchen in die Geschichte hat man vor der Abfahrt der Fähre noch Zeit für einen Spaziergang. Ich beschließe, dass ich irgendwann zurückkehre und mir ein Fahrrad ausleihe. Denn wie die Inselführerin selbst zugegeben hat: Bei der Fahrt mit dem Touristen-Zug sieht man nur einen Bruchteil von Veli Brijun. (as)
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