Wie viel Kroatien steckt eigentlich in Berlin? Gibt es in diesem kulturellen Schmelztiegel auch eine kroatische Szene? Seit gestern weiß ich: Ja, sie existiert und sie rockt! Vor allem dann, wenn eine Musiklegende wie Miroslav Škoro der Hauptstadt einen Besuch abstattet und von einem zweiten Star seines Landes begleitet wird: Tiho Orlić.
Die familiäre kroatische Gemeinde
Meine Freundin, die mich eigentlich zu diesem Konzert in der Party-Location Tegeler Seeterrassen begleiten wollte, ist kurzfristig krank geworden. Also wage ich mich allein unter Kroaten, was ich sehr spannend finde.
Kaum habe ich die Schwelle der Tegeler Seeterrassen überschritten, verlasse ich Deutschland. Die kroatische Gemeinschaft wirkt wie eine riesengroße Familie, die zahlreiche Kinder mitgebracht hat: Viele kennen sich untereinander, man begrüßt sich herzlich und spricht Kroatisch.
Der Veranstalter Cro Best Berlin hat mir erlaubt, über das spektakuläre Konzert mit Miroslav Škoro und Tiho Orlić bei Kroatien-Liebe Bericht zu erstatten und Fotos zu schießen. Nach dem überaus freundlichen Empfang von Event-Manager Jakov Kolak werde ich am Tisch der Pressekollegen vom Berlinski Magazin platziert.
Berlin hat ein eigenes kroatisches Stadtmagazin, das einmal im Monat erscheint und in kroatischen Restaurants und Cafés ausliegt. Ehe ich mich setze, stellt mir die Garderobenfrau die beiden Fragen, die ich in den letzten drei Monaten häufiger gehört habe: „Sind Sie Kroatin? Wie kommt es zu dieser Kroatien-Liebe?“
Ich trage natürlich ein T-Shirt mit dem Firmenlogo.
Der Opener Tomislav Gelo
Gegen 21 Uhr betritt der Solokünstler Tomislav Gelo die Bühne und eröffnet das Konzert mit volkstümlichem kroatischen Schlager. Er singt und spielt dazu Keyboard. Meinen Musikgeschmack trifft er zwar nicht, trotzdem macht er eine sympathische Show und lockt die ersten Tänzer aufs Parkett.
Je länger Tomislav Gelo die kroatische Gemeinde mit seinem Repertoire beglückt, desto flotter wird es. Am Ende wippe sogar ich mit dem Fuß mit und klopfe auf dem Tisch den Rhythmus.
Tiho Orlić: Rocker mit südländischem Charme
Als gegen 22 Uhr der erste Headliner des Abends, Tiho Orlić, mit seiner Band die Bühne einnimmt, gibt es für mich am Tisch kein Halten mehr.
Der 1976 in Split geborene Musiker macht eingängigen Rock und versprüht südländischen Charme. Bei Ohrwürmern wie „Daleko je“ (Weit weg ist es) und „Ostani“ (Bleib) singe ich laut mit. Das Publikum kennt seine Texte auswendig. Mit seinen Entertainer-Qualitäten wickelt Tiho Orlić Groß und Klein gekonnt um den Fingern.
Schnell wird klar: Dieser Mann ist eine echte Rampensau. Es macht mir Spaß, ihn in Action zu fotografieren. Als er sich nach einer knappen Stunde von der Bühne zurückzieht, finde ich das erst einmal schade, noch nicht ahnend, dass er zu späterer Stunde einen zweiten Auftritt hinlegen wird.
Miroslav Škoro stiehlt allen die Show
Die Aufruf-Statistiken von Kroatien-Liebe haben es mir in den letzten Tagen verstärkt bewiesen: Eigentlich ist die kroatische Gemeinde wegen Miroslav Škoro in die Tegeler Seeterrassen gepilgert. Schon die Suchanfragen bei Google sprachen Bände. Das Publikum verfällt in rasende Begeisterungsstürme vor seinem Idol.
Während ich vor der Bühne stehe und Miroslav Škoro mit meiner Kamera ablichte, könnte ich nach ihm greifen, wenn ich wollte. Andere tun es: Die Damenwelt jeden Alters möchte unbedingt ein Foto mit ihm ergattern und von dem 53-Jährigen in den Arm genommen werden.
Miroslav Škoro zeigt sich volksnah, ein charismatischer Superstar zum Anfassen, der zwischen den Liedern Witze macht und offensichtlich gerne mit seinen Fans posiert. Auch viele der anwesenden Männer drängt es nach vorne. Sie begrüßen ihn mit offenen Armen und Handschlag und lassen sich die Biographie des Musikers signieren.
Der Türsteher sitzt wohl aus Sicherheitsgründen direkt an der Bühnenkante und bekommt bei einem sentimentalen Liebeslied feuchte Augen. Einzugreifen braucht er eh nicht, denn zwischen Miroslav Škoro und dem Publikum herrscht ein Gefühl von Verbundenheit und Herzlichkeit.
Eine Frau überreicht ihm einen Liebesbrief, eine andere ein Taschentuch, damit er sich die Schweißperlen aus dem Gesicht wischen kann. Dass man im Laufe einer zweieinhalbstündigen Show ordentlich ins Schwitzen gerät, dürfte niemanden verwundern!
Miroslav Škoro glänzt vor seinen Fans mit einem breit gefächerten rockig, poppigen Repertoire mit folkloristischen Elementen. Mein persönlicher Star aus der Band ist der Violinist, der zu oftmals patriotischen Textinhalten wie „Domovina u venama“ (Heimatland in den Adern) Funken in den Seiten entzündet. Das Publikum liebt Folklore-Klänge und feiert die ferne Heimat Kroatien.
Der zweite Auftritt von Tiho Orlić
Nachdem sich Tiho Orlić gegen halb zwei in der Frühe zu Miroslav Škoro auf die Bühne gesellt hat, besingen sie freundschaftlich einander zugewandt im Duett das schöne Dalmatien. Schließlich verabschiedet sich der Haupt-Act und Präsident von Croatia Records, doch damit ist die Kroatien-Party noch lange nicht beendet.
Nach einer kurzen Pause darf nämlich Tiho Orlić erneut den Saal erobern. Das tut er bis kurz nach halb drei. Ein zweites Mal schmettert er „Daleko je“, der Gitarrist covert das Riff aus „Thunderstruck“ von ACDC und kurz vor Schluss zollt Tiho Orlić der alten kroatischen Band Film mit deren Song „Doći ću ti u snovima“ (Ich werde in deine Träume kommen) Tribut.
Bis zum frühen Morgen heizen die beiden DJs Jure und Mateo die Tegeler Seeterrassen mit kroatischen Party-Beats ein. Von Eindrücken geflutet, gehe ich irgendwann nach Hause und freue mich, dass hier in Berlin kulturelle Vielfalt so groß geschrieben wird. Mit Sicherheit werde ich bald über weitere Kultur-Veranstaltungen der kroatischen Szene schreiben. (as)
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