Von Marijana Komorski. Meine Tochter reitet seit ein paar Jahren und entwickelt sich zu einer Expertin. Sie zählt mir fast täglich Pferderassen und die dazugehörigen möglichen Farben und Größen auf. Ähm, Entschuldigung, ich meine natürlich Stockmaß, wie konnte ich das vergessen!
Apropos vergessen, mein Großvater und meine Onkels hatten Pferde wie fast jeder Nachbar im Dorf im Zagorje. Die Pferde meines Großvaters hatten immer die gleichen Farben und Namen. Die schwarzen Stuten hießen Vrana (Krähe) und die Fuchsstuten Riđa (Kupferrote).
Aber welche Rasse war das? Hatten wir nie darüber gesprochen? Nach Recherchen (ich habe meinen Vater gefragt) erfuhr ich, dass es sich um Međimurje-Pferde (siehe auch Wikipedia) handelte.
Međimurje-Pferde auf der Schlachtbank
Die kroatische Wirtschaft hat sich seit meiner Kindheit weiterentwickelt und der ersehnte Traktor ist für die Bevölkerung erschwinglich geworden. Die Recherchen bestätigten, was offensichtlich ist: Međimurje-Pferde sind vom Aussterben bedroht.
Das einst wichtige Tier für die Landwirtschaft, ein Zug- und Arbeitspferd, ist nur noch für die Fleischfabrik interessant. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Međimurje-Pferde so gering geworden, dass man nur noch von etwa 40 verbleibenden Tieren in Kroatien spricht.
In Ungarn ist die Population noch etwas größer, aber nicht ausreichend, um den Bestand zu sichern. Ich würde gerne etwas Optimistisches dazu schreiben, doch das Schicksal der Tiere ist ungewiss!
Schöne Kindheitserinnerungen an die Pferde
Mir bleiben erst einmal nur schöne Erinnerungen, zum Beispiel wie ich ganze Tage auf dem Bauernhof meines Onkels in den Sommerferien mit Susi, einem Fohlen, und zwei Stuten im Stall verbrachte. Das spricht für den gutmütigen Charakter der Međimurje-Pferde und auch für das Vertrauen, das mein Onkel zu der Rasse hatte.
Oder als mich mein anderer Onkel zu einem Pferdekauf mitnahm: Ich durfte, wie erhofft, auf dem Pferd nach Hause reiten. Dabei kreuzte sich unser Weg mit dem einer Beerdigungsgesellschaft.
Mein Onkel und ich blieben stehen und zeigten unsere Anteilnahme. Gleichzeitig fand ich es faszinierend, die gläserne Schneewittchen-Kutsche mit den Rappen davor zu betrachten.
Das Bild, das wir abgaben, ein Mädchen auf einem Pferd ohne Sattel, faszinierte ebenso einen Teil des Trauerzuges und riss ihn für einen Moment aus seinem Ablauf heraus. Die Leute blieben nacheinander stehen und machten den Rest der Trauernden, die den Kopf noch nicht gehoben hatten, auf uns aufmerksam und riefen: „Schaut mal, das Mädchen auf dem Pferd!“
Währenddessen bewegte sich die Kutsche weiter und ruckartig reihten sich die Stehengeblieben wieder in den Trauerzug ein.
Neue Einsatzmöglichkeiten für die Pferde?
Ich wünsche mir, dass sich für die Međimurje-Pferde in Zukunft neue Einsatzmöglichkeiten finden und realisieren lassen. Beispielsweise wird das ebenfalls vom Aussterben bedrohte Posavina-Pferd heute gerne für therapeutische Zwecke in der Behandlung behinderter Kinder eingesetzt!
Mit ihrem Stockmaß von 155 bis 165 Zentimeter könnten sie im beliebten Reittourismus eine Rolle spielen und so ein Stück Kroatien erhalten.
Über die Autorin
Marijana Komorski lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und zwei Katzen in Wuppertal. Ihre Eltern stammen aus Kroatien. Sie arbeitet als Büro-Angestellte und tanzt in ihrer Freizeit gerne Flamenco. Dass Marijana auch Artikel schreiben kann, hat sie mit ihrem Beitrag sehr gut bewiesen.
Titelbild: Silverije
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