EKO JADRAN: Wie drei Migrantinnen auszogen, die kroatische Adria zu retten

Eko Jadran

Vor etwa zwei Jahren stöberte ich müde und zerstreut spätabends im Internet und stieß völlig unerwartet auf einen offenen Brief der italienischen Professorin Rita D’Orsogna an die damalige kroatische Regierung. Darin bat sie inständig darum, alle Pläne bezüglich der Freigabe von 98 Prozent der kroatischen Territorialgewässer für Erdöl- und Erdgasbohrungen auf Eis zu legen.

Ich las den Brief etwas erstaunt zu Ende. Die Idee, dass in diesem wunderschönen Meer jemals massiv Erdöl- und Erdgas gefördert werden sollten, erschien mir so absurd, dass ich ihn zunächst nicht ernst nahm.

Dennoch war ich beunruhigt und kontaktierte Verwandte meines Ehemannes in Dalmatien, ob ihnen derartige Pläne der Regierung bekannt seien. Niemand wusste etwas davon und ich legte das Thema innerlich ad acta.

Pläne der ehemaligen kroatischen Regierung

Ein paar Wochen später saß ich im Wohnzimmer meiner Schwiegereltern und wie jeden Abend liefen im Fernsehen gerade kroatische Nachrichten.

Plötzlich verkündete die emotionslose Stimme einer Nachrichtensprecherin, dass die kroatische Regierung 98 Prozent der kroatischen Adria für Erdöl- und Erdgasbohrungen ausgeschrieben habe und sich nun internationale Ölkonzerne um Konzessionen bewerben dürften. Dabei flimmerten zügig Bilder der bereits bestehenden Bohrinseln im türkisblauen Wasser über den Bildschirm.

Eine Karte der kroatischen Adria, lieblos aufgeteilt in 29 unterschiedlich große Blöcke, die für künftige Erdölplattformen vorgesehen waren, schloss den kurzen Beitrag ab. Mein Schwiegervater und ich sahen uns fassungslos an. Dann klopfte er sich angewidert auf den Oberschenkel und sagte: „Oni će nas satrati!“

Das heißt so viel heißt wie „Die werden uns fertig machen!“

Eko Jadran
Foto: Kroatien-Liebe

Gründung des Umweltschutzvereins Eko Jadran

Seit diesem Abend ist so viel passiert. So viele Informationen habe ich mir angelesen, so viel „unerfreuliches“ Wissen angeeignet, so viele Gespräche geführt, E-Mails verfasst, Petitionen unterschrieben, selbst ein paar Protestaktionen organisiert und vor allem: so viele neue Menschen kennengelernt!

Menschen, die alle auf ihre Art versuchen, diesen Albtraum zu verhindern. Menschen, die sich wie ich in ihrer knappen Freizeit ehrenamtlich mit diesem hässlichen Thema beschäftigen und damals wie heute versuchen, etwas gegen die schier unendliche Profitgier der Ölkonzerne, Investoren und korrupten Politiker zu unternehmen.

Mit vielen, zum Beispiel mit Sam, dem Gründer der Clean Adriatic Sea Alliance, stehe ich aufgrund der weiten Entfernung bis heute nur via Internet in Kontakt. Mit anderen, wie Ulrike von der Gesellschaft zur Rettung der Delfine, hat mich das Schicksal glücklicherweise in München zusammen geführt.

Zwei dieser Menschen wurden zu meinen engsten Mitkämpferinnen: Tanja, Janet und ich gründeten unseren Umweltschutzverein EKO JADRAN, der sich für den nachhaltigen Umgang mit der kroatischen Adria einsetzt. Wir sind alle drei keine gebürtigen Kroatinnen, haben sehr unterschiedliche Lebensläufe und Backgrounds.

Trotzdem sind wir seit vielen Jahren sowohl beruflich als auch privat sehr eng mit Dalmatien verbunden und lieben von Herzen das unglaublich schöne Meer.

Eko Jadran
Foto: Kroatien-Liebe

Öffentlicher Protest gegen Ölbohrungen wächst

Vielleicht erschienen vielen Kroaten die Pläne des ehemaligen Wirtschaftsministers, das ganze Land in ein großflächig angelegtes Erdöl- und Gasfördergebiet mitten in Europa zu verwandeln, als grotesk. Oder der Mythos von grenzenloser Macht der Ölkonzerne, welche sie heutzutage immer mehr einbüßen, schüchterte die Bevölkerung zu sehr ein.

Es waren auf jeden Fall anfangs Menschen wie Sam und Ulrike, die außerhalb von Kroatien erste Petitionen gegen Ölbohrungen starteten und Informationen darüber verbreiteten. Erst nach und nach schaltete sich Greenpeace Hrvatska ein.

Es bildeten sich NAŠ Jadran und S.O.S. za Jadran, eine Koalition aus vielen kroatischen Nicht-Regierungsorganisationen und langsam folgten diverse Protestkampagnen.

Zuletzt im Sommer 2015, als die Gefahr einer Unterzeichnung der Verträge mit den Ölkonzernen immer realistischer erschien, meldeten sich endlich auch bekannte Künstler, Sänger und Schauspieler zu Wort. Den Höhepunkt dieser Proteste bildeten die Auftritte von Oliver Dragojević und Meri Cetinić, zwei Urgesteine der kroatischen Musikszene. Sie stellten sich schützend vor die kroatische Adria und appellierten, dieses nationale Gut für weitere Generationen zu bewahren.

Informationen über die Gefahren der Erdöl- und Erdgasförderung, die Laien normalerweise nicht bekannt sind, sickerten nach und nach an die Öffentlichkeit. Sie wurden in öffentlichen Podiumsdiskussionen und auch „auf der Straße“ erörtert und leidenschaftlich diskutiert.

Umweltzerstörung und kroatischer Tourismus

Die Befürworter der Bohrungen, vor allem die meisten kroatischen Medien, spielten die Risiken herunter und sahen Kroatien bereits im Geldregen der Ölindustrie baden. Die Gegner – unter ihnen viele Wissenschaftler und Intellektuelle – prophezeiten totale Umweltzerstörung, einen Niedergang des kroatischen Tourismus und somit den Zusammenbruch der gesamten kroatischen Wirtschaft.

Bald gab es fast niemanden mehr, der zu diesem polarisierenden Thema keine Meinung hatte! Spätestens im Sommer und Herbst 2015 wurde das Thema zum Politikum und spielte bei den Wahlen eine entscheidende Rolle.

Nach der Durchführung einiger Podiumsdiskussionen sowohl in Deutschland als auch in Kroatien kann ich Folgendes mit Sicherheit sagen: Jedes Mal nach der einfachen Darstellung des gesamten Prozesses der Offshore Erdöl- und Gasförderung, angefangen von den seismischen Untersuchungen zur Ortung der Erdölvorkommen unter dem Meeresgrund bis hin zur Förderung, Transport, Lagerung und der damit verbundenen Abfallentsorgung an Land, waren die Sympathisanten dieser Pläne sehr ernüchtert.

Auf die verheerenden Auswirkungen einer Havarie oder einer Ölpest in der Adria sind wir dabei gar nicht detailliert eingegangen. Es genügte der Hinweis, dass Kroatien nicht ein einziges Schiff zur Beseitigung von Ölteppichen besitzt.

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Foto: Kroatien-Liebe

Kein Wirtschaftswachstum durch Ölbohrungen vor Italien

Bei unseren Recherchen fanden wir heraus, dass die Erfahrungswerte in Bezug auf den positiven wirtschaftlichen Effekt solcher Projekte, die bereits in recht großer Anzahl auf der italienischen Seite der Adria bestehen, keineswegs die euphorischen Prognosen der südosteuropäischen Regierungen (wie jüngst in Montenegro) belegen.

Leider wurden die hohen Erwartungen der Bevölkerung auf Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitsplätze, beispielsweise in Basilicata in Süditalien, bisher bitter enttäuscht. Die benachbarten Regionen, die im gleichen Zeitraum auf den Ausbau des nachhaltigen Tourismus und der regionalen Landwirtschaft gesetzt haben, stehen heute eindeutig besser da.

Populäre Vergleiche mit Ländern wie Norwegen und Saudi-Arabien, die dank der Erdölindustrie „reich“ wurden, sind aufgrund von zu wenigen Gemeinsamkeiten mit südosteuropäischen Staaten leider gar nicht haltbar.

Sogar in diesen Ländern ist die Situation im Jahr 2016, während sich die Ölpreise im freien Fall befinden, die Gewinnung von erneuerbaren Energien und Elektroautos rapide günstiger wird und wir weltweit die wärmsten Monate seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erleben, eine komplett andere als 2014.

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Foto: Kroatien-Liebe

Begrenztes Moratorium der neuen kroatischen Regierung

Die im Herbst 2015 gewählte neue kroatische Regierung hat nach den Wahlen ein zeitlich begrenztes Moratorium in Bezug auf die Pläne der Erdöl- und Erdgasförderung zumindest in der kroatischen Adria ausgesprochen. Sie verspricht den Ausbau von erneuerbaren Energien, für die Kroatien mit der hohen Anzahl von Sonnenstunden und beständigen Winden wie prädestiniert zu sein scheint.

Auch solch umweltschädliche, unwirtschaftliche Projekte wie das Kohlekraftwerk Plomin C in Istrien, nicht weit von Opatija und Pula, sollen laut Angaben des Umweltschutzministers auf Eis gelegt werden. In wie fern diese Pläne tatsächlich in die Realität umgesetzt werden, bleibt noch abzuwarten.

Dennoch atmeten wir von Eko Jadran nach den Meldungen zunächst erleichtert auf und fühlten uns sogar ein bisschen wie Sieger! Bis vor kurzem, als die montenegrinische Regierung mit den gleichen „Spielchen“ anfing und es nun wieder heißt: SOS za Jadran oder rettet die Adria!

Julia JamanÜber die Autorin

Julia Jaman ist in Zentralasien geboren und lebt seit 1993 in München. Durch die Familie ihres kroatischen Ehemannes ist sie seit vielen Jahren mit Dalmatien verbunden und liebt die Adria.

Autor

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Annika Senger
Annika Senger ist Gründerin und Chefredakteurin des Reise- und Kulturportals Kroatien-Liebe. Die passionierte Bloggerin und Reisevermittlerin interessiert sich für Reisen, Musik, Literatur, Sprachen, Kochen und Fotografie.
Adresse: Berlin, Deutschland

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