Das glagolitische Alphabet: nationales Symbol in Kroatien

glagolitische Alphabet

Ist Euch in kroatischen Souvenir-Shops schon einmal das glagolitische Alphabet aufgefallen? Andenken aus Kroatien werden häufig mit Symbolen aus der altslawischen Schrift verziert. Man sieht sie an Kirchen, privaten Häusern, im Kunsthandwerk oder auf dem 100-Kuna-Schein. Auf den Inseln in der Kvarner Bucht, insbesondere auf Krk, entdeckt man die Glagolica-Schriftzeichen auch auf Steinen in der Landschaft, wie der Slawistik-Dozent Matthias Jacob auf seinen Fotos eindrucksvoll zeigt. Woher kommen die Symbole?

glagolitische Alphabet
Foto: Joachim Schäfer / Ökumenisches Heiligenlexikon

Kurzer geschichtlicher Diskurs

Laut vorherrschender Meinung hat das glagolitische Alphabet seine Wurzeln im Jahr 863 nach Christus. Der byzanthinische Mönch Konstantin von Saloniki (besser bekannt als Kyrill) enwickelte es zusammen mit Method in Mähren, um dort die ostfränkische Christianisierung mit einer byzanthinisch-othodoxen Mission zurückzudrängen.

Da sich die griechische Schrift für die slawischen Sprachen nur wenig eignete und Kyrill eine kulturelle Eigenständigkeit der Slawen anvisierte, erschufen sie das glagolitische Alphabet als erste slawische Schrift. Kyrill und Method verfolgten das Ziel, Glagolica als Schrift und Kirchensprache zu etablieren – mit einschlagendem Erfolg.

glagolitische Alphabet
Foto: Matthias Jacob

Durch Schüler der beiden Kirchenapostel gelangten die Schriftzeichen im 12. Jahrhundert über Mähren und Mazedonien nach Kroatien, wo in Istrien, in der Kvarner Bucht und in Dalmatien bedeutende Zentren des glagolitischen Schrifttums aus der Taufe gehoben wurden, zum Beispiel das Eremitenkloster Blaca auf der Insel Brač oder das glagolitische Seminar in Omiš.

Das glagolitische Alphabet wurde fortan in der katholischen Liturgie gebräuchlich, wogegen der Papst heftige Vorbehalte hegte. Er betrachtete die slawischen Schriftzeichen als Symbole des Widerstands gegen den lateinischen Klerus. Ein Verbot aus Rom konnte sich aber nicht durchsetzen.

Im Jahr 1248 sah sich Papst Innocenz IV. schließlich genötigt, dem Bistum Senj und einzelnen Klöstern auf Krk die altslawische Liturgie zu erlauben. Eine Gruppe von Glagoliter-Mönchen stellten zu jener Zeit die Behauptung auf, der heilige Hieronymus (um 347 bis 420) sei der wahre Erfinder der slawischen Schrift.

Das glagolitische Alphabet vom 19. Jahrhundert bis heute

In einigen Regionen von Kroatien konnte sich Glagolica ununterbrochen bis ins 20. Jahrhundert halten. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine kroatische Nationalbewegung, die sich der Schriftzeichen zur Abgrenzung gegen den lateinischen Westen und den orthodoxen Osten bediente.

Auch in vielen katholischen Kirchen wurde die Messe noch aus glagolitischen Messbüchern gelesen. Seit der Unabhängigkeit Kroatiens (1991) symbolisiert Glagolica die kulturelle und nationale Identität des Landes. Zahlreiche Grundschulen bieten das Erlernen der Schrift als Wahlfach an, während Bibliotheken Kurse für Erwachsene veranstalten.

Glagolitische Alphabet
Foto: Kroatien-Liebe

Ein Glagolica-Mitbringsel

An der Riva in Mali Lošinj ist mir ein Einheimischer begegnet, der Glagolica-Buchstaben in Steinschmuck eingravierte. Seit dieser Begegnung trage ich das glagolitische A (für Annika) an einer Kette. Es hat eine starke Ähnlichkeit mit dem Dreizack des Meeresgottes Neptun.

Ja, die Glagolica-Symbole zeichnen sich durch kunstvolle Formen aus und wirken dabei recht geheimnisvoll. Die Buchstaben stehen übrigens auch für Zahlenwerte. Mit ihren Verschnörkelungen, den runden und eckigen Formen erinnern sie an die griechische, koptische, hebräische und syrische Schrift.

Wenn man Slawistik an der Hochschule studiert, findet man Glagolica-Seminare auf jedem Lehrplan. Ich denke, dass ich das glagolitische Alphabet auch etwas genauer unter die Lupe nehmen werde, wenn ich Zeit und Muße habe. (as)

Quellen

Wikipedia
Matthias Koeffler, Dalmatien, Trescher Verlag

Titelbild: Matthias Jacob

Autor

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Annika Senger
Annika Senger ist Gründerin und Chefredakteurin des Reise- und Kulturportals Kroatien-Liebe. Die passionierte Bloggerin und Reisevermittlerin interessiert sich für Reisen, Musik, Literatur, Sprachen, Kochen und Fotografie.
Adresse: Berlin, Deutschland

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