Schon im Januar ist mir klar: Ich möchte im März einen Abstecher auf Kroatiens karge Insel machen, um mir einmal richtig die Bura auf Pag um die Ohren wehen zu lassen. „Wird der kalte Nordwind mich umhauen?“, frage ich mich Wochen vor dem Trip. „Oder bin ich stark genug, der kräftigen Brise aus dem Velebit standzuhalten?“
Madame Bura traut sich nicht
Als ich in den frühen Abendstunden des 14. März auf der Insel ankomme, lässt sich „Madame Bura“, wie eine Facebook-Freundin den typisch kroatischen Wind nennt, nicht blicken. Hat sie etwa Angst vor mir? Ein laues Lüftchen bläst mir um die Ohren, die Temperatur ist frühlingshaft, die See ruhig und der Himmel sternenklar.
Auch am nächsten Morgen will die launische Madame nichts von mir wissen. Trotzdem bin ich mit Filip Bukša von der Agentur Perla Pag verabredet. Mit ihm zusammen werde ich auf den Spuren der Bura auf Pag wandeln, auch wenn die sich irgendwo auf der Landseite vor uns versteckt.
Filip wird mir am Nachmittag ein paar Stationen der Winterreise im Schnelldurchlauf zeigen und mir einen Eindruck von diesem schroffen Eiland vermitteln. Wir fahren von Pag zur Brücke Paški Most am südlichen Zipfel der Insel.
Bei unserer Ankunft holt der Biologie-Absolvent sein Windmessgerät aus der Hosentasche. Die Windgeschwindigkeit im Display schwankt zwischen 12,2 und 15 km/h. Zum Vergleich: Bura könne mit bis zu 250 km/h übers Land fegen, erklärt mir mein Guide!
2016 hat sie das sogar im Sommer getan und dem Tourismus auf Pag für ein paar Tage einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Brücke war gesperrt, ein Wohnwagen von Urlaubern soll auf dem Weg zum Reiseziel sogar vom Wind niedergestreckt worden sein.
Wer sich ins Bura-Abenteuer wagt, muss sich auf jeden Fall warm anziehen und am besten eine Skibrille aufsetzen. Der tornadoartige Wind sorgt für Temperaturen um den Gefrierpunkt und trägt Salz aus dem Meer auf die spärlich mit Gräsern und niedrigen Sträuchern bewachsene Steinwüste.
Filip und ich können an der Brücke entspannt aufrecht stehen. Ich schieße Fotos und genieße das Windchen, das mir ein bisschen die Haare zerzaust. Bei Bura auf Pag sei es allerdings angebrachter, auf die Knie zu gehen: Wenn Madame so richtig in Rage gerät, hält man sich besser vor ihr in Deckung.
Ohne die Bura kein Paški Sir
Nach dem Stopp an der Brücke fahren wir zu den sieben Windrädern der Insel. Irgendwo im Nirgendwo endet die mit Bura-Salz besträubte Straße, so dass wir unseren Weg durchs Geröll eine Weile zu Fuß fortsetzen.
Hier oben begegnen uns ein paar Schafe mit ihren Lämmern. Diese putzigen Tiere fressen das salzige Gras und produzieren Milch, deren Salzgehalt den berühmten Pager Käse ausmacht. Das bedeutet also: Ohne den Salzsturm Bura kein Paški Sir!
Filip schwärmt übrigens auch von dem salzhaltigen Lammfleisch, das nirgends sonst so einmalig schmecken würde wie auf Pag. Da kann und will ich als Vegetarierin aber nicht mitreden.
Bura auf Pag prägt die Landschaft
Die Auswirkungen der Bura sieht man deutlich in der Landschaft. Die Steine neigen sich messerscharf in Windrichtung. Ich habe das Gefühl, dass sich vor meinen Augen ein nicht einmal kniehohes Gebirge auftut – eine Art Velebit in Miniatur-Form. Wäre ich ein Zwerg, hätte ich hier vielleicht Lust auf Bergsteigen und könnte dabei dem Summen der Windräder lauschen.
Bei Bura fangen die Stromproduzenten an zu schreien und werden letzten Endes abgeschaltet. Zu schnell würden sie sich drehen und das Risiko sei zu hoch, dass die Rotoren abbrechen und durch die Luft fliegen, sagt Filip. In den 70er Jahren sei das mit einer Fernsehantenne oberhalb des Inselorts Pag passiert. Die Bewohner hätten damals großes Glück gehabt, dass „nur“ eine Fabrik getroffen wurde.
Die wenigen Pflanzen in der steinigen Landschaft sind auf einer Seite völlig ramponiert und versalzen und in Wuchsrichtung dunkelgrün. Wer regelmäßig mit Bura ins Gefecht gerät, trägt eben Spuren davon!
Aufwärmen bei Pager Spezialitäten
Während einer zwei- oder dreitägigen Winterreise stehen natürlich auch Aufwärmen und lokale Spezialitäten auf dem Programm. Selbst dem größten Abenteurer kann man nicht stundenlange Dates mit Madame Bura zumuten, ohne dafür eine kuschelige „Entschädigung“ abzusahnen.
Auf einem Gut bei Kolan, dem einzigen Ort auf der Insel, der nicht an der Küste liegt, bekommen die Teilnehmer ein Mehrgänge-Menü kredenzt. Ich probiere das Essen diesmal nicht, kaufe mir aber in einem Käseladen in Kolan Paški Sir mit Rosmarin. Vorher darf ich mehrere aromatische Sorten probieren.
Keine Garantie für Bura auf Pag
Am Ende des fast dreistündigen Ausflugs ist es so frühlingshaft warm, dass ich meine Jacke ausziehen muss. Vielleicht besser so – mit „schwierigen“ Wetterbedingungen habe ich schon den ganzen Winter zu kämpfen gehabt.
Eines ist jedenfalls gewiss: Wer auf den Spuren der Bura auf Pag wandeln will, der sollte sich vorher darüber im Klaren sein, dass es keine Garantie für das Mega-Wind-Phänomen gibt. Das Wetter lässt sich nun mal nicht beeinflussen!
Trotzdem lohnt sich eine Schönwetter-Reise nach Pag außerhalb der Saison allemal: Kroatien präsentiert sich auf der Insel von einer ganz anderen Seite als anderswo – schroff, sandfarben und wüstengrau, aber mit karibisch türkis schimmerndem Meer. Auch wenn man sich eher für grüne Wälder begeistert, kann man hier den landschaftlichen Abwechslungsreichtum in besonders krasser Form erleben. Filip meint: „Entweder man liebt die Insel oder man mag sie nicht.“
Wie Pag bei Bura aussieht, könnt Ihr Euch hier in seinem Video anschauen. (as)
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