Seit 2014 gibt es das Förderprogramm MobiPro, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Kooperation mit der Agentur für Arbeit initiiert wurde.
Vorrangig soll es zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: den Fachkräftemangel in Deutschland sowie die Jugendarbeitslosigkeit in Teilen Europas abschwächen. Daher werden jungen Europäern ein Deutschkurs, finanzielle Unterstützung und eine Ausbildungsstelle in Deutschland ermöglicht.
Kroatien-Liebe interviewte Elisabeth Mayr, Projektleiterin im dialoge Sprachinstitut aus Lindau am Bodensee. Das dialoge Sprachinstitut ist einer von vielen deutschen Projektträgern, die das Programm in die Tat umsetzen und vor Ort Anlaufstelle für die TeilnehmerInnen sind.
Kroatien-Liebe: Frau Mayr, die Förderrunde MobiPro 2016 ist noch ganz frisch. Wie viele kroatische Interessenten an einer Berufsausbildung in Deutschland hat es seit dem Start gegeben?
Mayr: Das Interesse von kroatischen Jugendlichen an einer Berufsausbildung in Deutschland ist groß. Wir können eine hohe Zugriffsrate auf unsere Projekt-Homepage www.mobipro-eu.com verzeichnen und unser Facebook-Auftritt speziell für Kroatien ist in kurzer Zeit auf 400 Likes hochgeschnellt.
Unsere Koordinatoren in Griechenland sind in intensivem Kontakt mit den InteressentInnen. Hier ist es besonders wichtig, das Konzept der dualen Ausbildung gut zu erklären und umfassend über MobiPro EU zu informieren. Momentan sind wir dabei, die Unterlagen aller Bewerber zu prüfen.
Kroatien-Liebe: An welche Altersgruppe richtet sich MobiPro konkret?
Mayr: Es gibt genaue Richtlinien, wer die Förderung erhalten kann. Interessierte TeilnehmerInnen müssen zwischen 18 und 27 Jahre alt sein, einen qualifizierten Schulabschluss vorweisen können und die Staatsbürgerschaft eines EU- oder EWR-Staates haben.
Kroatien-Liebe: Warum sollten junge KroatInnen Interesse haben, ihr Land zu verlassen? Steht es um die Ausbildungschancen in Kroatien so schlecht oder ist MobiPro eher als eine Art Horizonterweiterung gedacht?
Mayr: Kroatien belegt derzeit europaweit Rang 3 in Sachen Jugendarbeitslosigkeit (Stand: November 2015). Deshalb ist es sinnvoll, interessierte junge Kroaten durch MobiPro EU zu fördern. In jedem Fall ist MobiPro EU auch eine Horizonterweiterung für den einzelnen, schließlich lernen die TeilnehmerInnen in kurzer Zeit eine neue Sprache, beweisen sich dann beruflich und verlagern ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland. Es ist ein beeindruckendes Engagement, das die TeilnehmerInnen an den Tag legen, um diese Chance auf Bildung und Perspektive zu ergreifen.
Kroatien-Liebe: Kooperiert MobiPro mit kroatischen Partnerorganisationen, die Jugendliche direkt an Schulen auf das Förderprogramm aufmerksam machen?
Mayr: Um gezielt junge Menschen in Kroatien anzusprechen, kooperieren wir mit Frau Dr. Nikolina Fuduric, die kroatische Wurzeln hat. Mit ihrem Unternehmen Buoyant Mind und ihren engagierten kroatischen Mitarbeitern macht sie MobiPro EU in Kroatien publik.
Kroatien-Liebe: Nach welchen Kriterien werden die KanditatInnen ausgewählt? Durchlaufen sie ein strenges Bewerbungsverfahren?
Mayr: Die KandidatInnen müssen umfangreiche Bewerbungsunterlagen einreichen, damit geprüft werden kann, ob sie förderfähig sind. Wir lernen sie entweder persönlich kennen oder verschaffen uns einen umfassenden Eindruck während eines Skype-Gespräches. Dabei wird abgeklopft, ob ein/e Kandidat/in die Motivation und Eignung besitzt, das anspruchsvolle Programm zu absolvieren. Erfahrungsgemäß waren viele von ihnen schon einmal in Deutschland oder haben Freunde oder Verwandte hier und daher schon recht klare Vorstellungen vom Leben und Arbeiten in Deutschland.
Kroatien-Liebe: Wie lange dauert das Förderprogramm inklusive Deutschkurs und Berufsausbildung?
Mayr: Unsere Projektumsetzung sieht vor, dass die TeilnehmerInnen einen rund fünfmonatigen Sprachkurs im Heimatland absolvieren, an dessen Ende eine Prüfung steht.
Im Anschluss daran kommen sie Anfang Juli nach Deutschland, um ein sechswöchiges Praktikum in ihrem Ausbildungsberuf und –betrieb zu absolvieren. Am 1. September 2016 beginnen sie die dreijährige duale Ausbildung und werden bis zum Ende ihrer Ausbildung gefördert und unterstützt. Somit kann man sagen, das Programm dauert dreieinhalb Jahre.
Kroatien-Liebe: Wer zahlt für den Deutschkurs, die Ausbildung und den Lebensunterhalt der Teilnehmer?
Mayr: Der Deutsche Bundestag hat Haushaltsmittel für die Projektförderung von MobiPro EU zur Verfügung gestellt. Davon werden die Kosten für die Rekrutierung, Auswahl und Betreuung wie auch für den Sprachkurs der TeilnehmerInnen bezahlt.
Sind sie einmal in Deutschland, bestreiten die TeilnehmerInnen ihren Lebensunterhalt von ihrem Praktikums- oder Ausbildungsgehalt.
Liegt ihr Gehalt unter einer bestimmten Grenze, erhalten sie eine Zulage aus dem Fördertopf; das sind die sogenannten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Jeder Auszubildenden und jedem Auszubildenden sollen durch MobiPro EU mindestens 818 Euro im Monat zur Verfügung stehen.
Kroatien-Liebe: In welchen Berufsfeldern sind die Ausbildungsplätze angesiedelt?
Mayr: Wir kooperieren mit renommierten Ausbildungsbetrieben aus dem Oberallgäu und dem Landkreis Lindau und bieten die Ausbildungsberufe Koch/Köchin, Hotelfachmann/-frau und Restaurantfachmann/-frau an.
Kroatien-Liebe: Findet MobiPro EU ausschließlich am dialoge Sprachinstitut in Lindau statt oder steht es den kroatischen Azubis frei, in welcher deutschen Stadt sie das Förderprogramm absolvieren?
Mayr: Es gibt Projektträger in ganz Deutschland. Die durch uns rekrutierten Kandidaten werden in Betrieben im Oberallgäu und im Landkreis Lindau eingesetzt und sind an das dialoge Sprachinstitut angebunden, was den weiterführenden Sprachunterricht und die sozialpädagogische Betreuung angeht.
Kroatien-Liebe: Wie geht es nach MobiPro für die Absolventen weiter? Verfolgt das Bundesministerium das Ziel, sie in deutsche Betriebe zu integrieren?
Mayr: Auf jeden Fall. Gerade in unserem Hotel- und Gaststättengewerbe werden gut ausgebildete junge Fachkräfte mit offenen Armen aufgenommen – vor allem vom eigenen Ausbildungsbetrieb, in dem sie sich dann schließlich bestens auskennen! Oftmals können sie sich ihre Wunschstelle regelrecht aussuchen. Gleichzeitig ist diese Branche auch offen für internationale Karrieren.
Kroatien-Liebe: Angenommen, die KroatInnen wollen nach der Ausbildung in ihre Heimat zurückkehren. Glauben Sie, dass sich deren Berufschancen in Kroatien nach dem Auslandsaufenthalt deutlich erhöhen werden?
Mayr: Ja, das glaube ich, da die Qualität der deutschen dualen Ausbildung sehr hoch anzusiedeln ist. Zum einen spricht der/die MobiPro EU-Teilnehmer/-in dann eine weitere wichtige Wirtschaftssprache fließend. Zum anderen: Wer die dreijährige duale Ausbildung absolviert hat, besitzt das Handwerkszeug für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn – egal in welchem Land.
Kroatien-Liebe: Ich danke Ihnen herzlich für das nette Gespräch! (as)
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